WUSTL: Unterschiedliche Beurteilungen des Krankheitsverlaufs in klinischen Studien zwischen klinischer Routine und offiziellen RECIST 1.1-Interpretationen

In dieser kürzlich durchgeführten retrospektiven Studie[1], bei der die Software mint Lesion™ zum Einsatz kam, stellten die Forscher fest, dass klinische Routinebefunde im Vergleich zu formellen Auswertungen nach RECIST 1.1 häufig zu einer Fehl-Diagnose einer Progression führen. Diese Abweichung könnte dazu führen, dass wirksame Behandlungen sowohl für Patienten, die an klinischen Krebsstudien teilnehmen, als auch für Patienten mit Standardversorgung vorzeitig abgebrochen werden.

Ziel dieser Studie war es, die Häufigkeit abweichender Interpretationen von Progression (Progressive Disease - PD) zwischen klinischen Routinebefundungen und Auswertungen nach RECIST 1.1 bei Patienten zu analysieren, die an klinischen Studien zu soliden Tumoren teilnahmen. Die Forscher wollten die Ursachen für die Diskrepanz zwischen diesen beiden Bewertungsmethoden untersuchen.

Die Studie umfasste 1053 erwachsene Patienten mit extrakraniellen soliden Tumoren, die zwischen Januar und Juli 2021 an klinischen Studien am Siteman Cancer Center teilnahmen. Die Bilder wurden zunächst von Radiologen des klinischen Fachpersonals (RCIs) ohne die Verwendung von Response-Kriterien ausgewertet und anschließend von Radiologen des Kernlabors (CLIs) nach RECIST 1.1 evaluiert. Beide Gruppen von Radiologen hatten Zugang zu klinischen und Labordaten sowie zu früheren Befundberichten.

Die RCIs nutzten eine Standard-PACS-Software zur Auswertung der aktuellen Bilder und verglichen diese mit den vorherigen Bildern. Sie bestimmten auch, welche Läsionen gemessen werden sollten, falls Messungen erforderlich waren. Die Radiologen des Kernlabors hingegen nutzten das RECIST 1.1-Modul von mint Lesion™, um die Bilder zu evaluieren. Die Software verfolgte Target- und Non-Target-Läsionen, die bei Baseline identifiziert wurden, sowie neue Läsionen im weiteren Verlauf. Sie erleichterte auch die Messungen von Target-Läsionen durch die Verwendung von Segmentierungs-Tools, die automatisch die lange und kurze Achse der Läsion erkannten. Auf der Grundlage dieser Messungen und Bewertungen berechnete die Software die Summe der Durchmesser (SOD) der Target-Läsionen und ermittelte das Ansprechen der Target-Läsionen auf die Therapie.

Die Ergebnisse zeigten, dass bei 327 Patienten mit PD-Bewertungen in 65 % der Fälle (213 von 327) eine Übereinstimmung zwischen beiden Radiologen-Gruppen vorlag. In 32 % der Fälle (105 von 327) überdiagnostizierte das klinische Fachpersonal eine Progression, während die Radiologen des Kernlabors eine stabile Erkrankung (SD) diagnostizierten, und in 3 % der Fälle (9 von 327) diagnostizierten die Radiologen des Kernlabors eine Progression, während das klinische Fachpersonal SD diagnostizierte. Zu den Gründen für abweichende Diagnosen von PD seitens des klinischen Fachpersonals gehörten:

  • fehlerhafte Messungen der Target-Läsionen,
  • Fehldiagnose einer Non-Target Progression und
  • falsche Einordnung von neuen Läsionen als krebsartig.

Insgesamt hat die Studie gezeigt, dass es bei der Bewertung von PD erhebliche Unterschiede gibt, wenn die Ergebnisse von RCIs, dem derzeitige Behandlungsstandard, mit denen von CLIs verglichen werden. Diese Variabilität kann sich auf die Patientenversorgung und die Ergebnisse der Studie auswirken.

"Unsere Daten sprechen für den Einsatz eines lokalen Kernlabors für Bildgebung, um Fehler bei der Auswertung des Ansprechens in klinischen Studien zu minimieren. Um diese Ergebnisse auf konventionelle klinische Arbeitsabläufe zu übertragen und die Genauigkeit der Bildgebungsbeurteilung bei Krebspatienten zu verbessern, sind mehrere Änderungen erforderlich", erklärten die Autoren.

Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehören:

  1. Sicherstellung des Zugangs zu Informationen über die Baseline-Untersuchung: Bei der Auswertung von Folgeuntersuchungen müssen Radiologen das Datum der Erstuntersuchung vor Beginn der aktuellen Therapie kennen. In herkömmlichen elektronischen Krankenakten ist diese Information für den Radiologen oft nicht leicht zugänglich. Daher sind Änderungen bei der Anordnung von Untersuchungen und der Übermittlung von Informationen an den Radiologen erforderlich, um den Zugang zu diesen wichtigen Informationen zu gewährleisten.
  2. Training in RECIST und anderen Response-Kriterien: Um eine standardisiertere und genauere Evaluation zu gewährleisten, sollten Radiologen eine formelle Ausbildung in den Prinzipien und der Praxis von RECIST und anderen Response-Kriterien erhalten.
  3. Standardisierte Sprache in Befundberichten: Die Autoren schlagen vor, eine standardisierte Sprache in die radiologischen Befundberichte aufzunehmen, die mit der RECIST-Sprache übereinstimmt. Eine standardisierte Terminologie kann das Potenzial für Fehlinterpretationen durch die behandelnden Ärzte verringern und die Kommunikation über das Ansprechen auf die Therapie verbessern.
  4. Einsatz von künstlicher Intelligenz: KI-Anwendungen haben das Potenzial, die Arbeitsabläufe vielbeschäftigter Radiologen zu vereinfachen, indem sie bei der Segmentierung von Läsionen und der Nachverfolgung im Zeitverlauf helfen und so die quantitative Beurteilung des Ansprechens in der Routinebefundung praktischer machen. Dies kann die Genauigkeit und Effizienz der Auswertungen weiter verbessern.

Die Autoren sind der Ansicht, dass durch die Umsetzung dieser Änderungen die bildgebenden Untersuchungen bei Krebspatienten erheblich verbessert werden können, was zu einer besseren Patientenversorgung und zu zuverlässigeren Ergebnissen in klinischen Studien führt.

 

[1]Discrepant Assessments of Progressive Disease in Clinical Trials between Routine Clinical Reads and Formal RECIST 1.1 Interpretations. Marilyn J. Siegel, Joseph E. Ippolito, Richard L. Wahl, and Barry A. Siegel Radiology: Imaging Cancer 2023

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