Das Bild zeigt die Leitenden des RACOON FADEN Projekts: Prof. Dr. Sylvia Mechsner (Charité Berlin) und Prof. Dr. Matthias May (Uniklinik Erlangen)

RACOON FADEN: Pionierarbeit zur Früherkennung von Adenomyose – Einblicke von Prof. Mechsner (Charité Berlin) und Prof. May (Universitätsklinikum Erlangen)

Die Adenomyose ist eine gynäkologische Erkrankung der Gebärmutter und eine Form der Endometriose. Etwa 10 Prozent der Frauen im fruchtbaren Alter sind von Adenomyose oder Endometriose betroffen, was weltweit etwa 200 Millionen Patientinnen entspricht. Derzeit gibt es keine zuverlässige Methode zur Früherkennung von Adenomyose. Durch MRT-Untersuchungen können jedoch standardisierte 3D-Bilddaten des Beckens erzeugt werden, die eine detaillierte Darstellung der Weichteile ermöglichen. Diese Technik erfasst die Anatomie des Uterus sowie pathologische Veränderungen und berücksichtigt den individuellen Menstruationszyklus.

Im Rahmen des RACOON FADEN Projekts führen Forscher:innen eine kontrollierte klinische Studie durch, die radiologische Merkmale nach MRT-Untersuchungen zur Früherkennung von Adenomyose bei jungen Patientinnen erforscht. Die gewonnenen Ergebnisdaten sollen dadurch zugänglich gemacht werden, während gleichzeitig eine Infrastruktur zur Extraktion bildgebender Biomarker des Uterus im Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) aufgebaut wird, um eine skalierbare Nutzung zu ermöglichen.

Wir sprachen mit den Projektleitenden, Frau Prof. Dr. med. Sylvia Mechsner und Prof. Dr. med. habil. Matthias May, EBIR, um mehr über das Projekt zu erfahren.  

 

Mint Medical: Wie kam es zur Entstehung des Projekts RACOON FADEN?

May: Zur Entstehung kam es in allererster Linie dadurch, dass wir eine sehr große Lücke in der Versorgung von jungen Patientinnen mit Adenomyose sehen. Frau Professor Mechsner hat schon einiges an wissenschaftlicher Vorarbeit dazu geleistet: die aktuelle Erkenntnis ist, dass bei den Patientinnen, die mit Endometriose diagnostiziert werden – der Ausbreitung der Erkrankung auf andere Organe, die auch zu Unfruchtbarkeit führen kann – eigentlich schon lange Beschwerden bestehen, aber häufig nicht ernst genommen wurden.

Mechsner: Deswegen wollen wir eine untersucherunabhängige Methode zu entwickeln, ein Früherkennungstool, das bei Frauen mit extrem starken Regelschmerzen eingesetzt werden kann. Derzeit haben wir oft eine lange Diagnoseverzögerung von bis zu 10 Jahren. Regelschmerzen werden häufig als normal abgetan, und man sieht einfach nichts. Dadurch wird den Beschwerden nicht weiter nachgegangen, und den betroffenen Frauen wird keine angemessene Therapie angeboten. Zehn Jahre später tauchen dann plötzlich Probleme wie unerfüllter Kinderwunsch, unerträgliche Schmerzen oder Zysten auf, und plötzlich wird die Diagnose Endometriose gestellt, obwohl die Frauen schon jahrelang Beschwerden hatten.

Was es bisher kaum gibt, ist ein genauer Blick auf den Uterus selbst. FADEN steht für „Früherkennung Adenomyose“, und wir haben uns vorgenommen, den Uterus genauer unter die Lupe zu nehmen. Als Gynäkolog:innen nutzen wir natürlich den Ultraschall, aber wenn wir damit bereits schwerwiegende Veränderungen erkennen, sind diese oft schon irreversibel. Die zentrale Frage ist: Gibt es wirklich Frühzeichen? Und das führt zur nächsten Frage: Wie sieht eigentlich ein gesunder Uterus aus? Denn nicht jede Frau, die zur Gynäkologin kommt, sei es für Verhütung oder einen Krebsabstrich, erhält automatisch einen Ultraschall oder eine MRT-Untersuchung. Daher wissen wir tatsächlich wenig darüber, wie eine gesunde Gebärmutter aussehen sollte.

 

Mint Medical: Wie entsteht die Endometriose überhaupt?

Mechsner: Wir gehen davon aus, dass die Erkrankung im Uterus entsteht – dass es zwischen Gebärmutterschleimhaut und Muskulatur durch starke Krämpfe zu einer Art Mikrotraumatisierung kommen kann, wodurch Reparaturmechanismen im Gewebe aktiviert werden. Im Zuge dessen könnten Stammzellen wandern – entweder in die Muskelwand, was zu einer Verdickung führt, oder sie lockern und verändern die Junktionalzone. Wenn diese Stammzellen über die Eileiter in den Bauchraum gelangen, kann sich dort Endometriose entwickeln.

Mint Medical: Wie ist die RACOON FADEN Studie designt?

Mechsner: Wir haben zunächst recherchiert, welche zyklusabhängigen Veränderungen des Uterus zu berücksichtigen sind. In diesem Bereich gibt es bisher nur wenige Daten.  Wir haben uns entschieden, den Uterus einmal während der Menstruation und einmal um den Eisprung herum zu untersuchen. Wir schließen auch junge Mädchen im Alter von 13 bis 30 Jahren ein, um die altersabhängigen Unterschiede zu erfassen. Unser Fokus liegt auf Menschen mit starken Beschwerden, die aus Endometriose-Zentren kommen. Allerdings schließen wir schwere Endometriose, tief infiltrierende Endometriose sowie Hormontherapien aus, da diese den Uterus verändern können. Ebenso schließen wir Frauen aus, die bereits schwanger waren, da dies ebenfalls den Uterus beeinflusst.

Eine Besonderheit unserer Studie, die, meines Wissens, weltweit zum ersten Mal durchgeführt wird, ist, dass wir auch gesunde Probandinnen einbeziehen: 104 gesunde Frauen und 104 Frauen mit Beschwerden. Das ist ein großer Vorteil unserer Studie, denn bisher wurde noch nie untersucht, wie ein gesunder Uterus wirklich aussieht.

May: Die MRT ist eine Bildgebungsmethode, die – solange man kein Kontrastmittel verwendet – eigentlich keinerlei Nebenwirkungen hat. Es war uns in dieser Studie besonders wichtig einen Ansatz zu wählen, bei dem mit möglichst geringem Aufwand eine Bildgebung mit hoher Qualität erreicht wird, die vor allem die bisherige Qualität der sonographischen Darstellung übertrifft.

 

Mint Medical: Welche Ziele verfolgt die FADEN Studie und welche Herausforderungen müssen bei dieser Forschung überwunden werden?  

Mechsner: Ein Ziel ist es, wie bereits erwähnt, die Morphologie des gesunden Uterus zu beschreiben und zu verifizieren, wie eine Adenomyose erkannt und beschrieben werden kann. Dabei wollen wir insbesondere untersuchen, welche Frühformen der Erkrankung definiert werden können. Wir möchten auch prüfen, wie die Befunde aus dem gynäkologischen Ultraschall mit den MRT-Untersuchungen in Einklang gebracht werden können, da es sich um zwei unterschiedliche Methoden handelt, die verschiedene Strukturen abbilden. Natürlich möchten wir das auch mit der Intensität der Schmerzen in Zusammenhang bringen.

Ich behaupte auch, dass die Asymmetrie der Uteruswand – eine dickere und eine dünnere Wand – ein Frühzeichen ist. Bei meinen Patientinnen sehe ich das immer wieder; und wenn sie Hormone nehmen, geht die Asymmetrie zurück. Für mich ist das ein deutlicher Hinweis auf ein Frühzeichen. Im MRT werden wir das viel besser sehen können, da die Bildgebung viel präziser ist. Das wird uns helfen, dieses Phänomen besser zu verstehen.

May: Genau, ein weiteres primäres Studienziel ist ganz klar die Analyse der Junktionalzone hinsichtlich ihrer Dicke. Mit dem standardisierten Untersuchungsverfahren, das wir nun multizentrisch aufgesetzt haben, wollen wir jedoch darüber hinaus weitere Parameter und Hinweise finden, um festzustellen, ob eine Person erkrankt oder gesund ist.

Die größte Herausforderung in der FADEN-Studie besteht sicherlich darin, eine Infrastruktur für eine Untersuchungsmethode zu schaffen, die völlig neu ist und in der Literatur so noch nicht existiert. Zwar haben Forscher:innen bereits Uterus-MRTs bei Adenomyose analysiert, jedoch nicht mit einem expliziten Protokoll und nicht in einem multizentrischen, prospektiven Ansatz. Das ist definitiv das Neue an dieser Studie.

Mechsner: Da wäre auch noch die organisatorische Hürde, dass wir den Zyklus berücksichtigen müssen, was bedeutet, dass die MRT-Untersuchungen zyklusabhängig geplant werden müssen. Das ist nicht immer einfach, da das MRT-Gerät zum gewünschten Zeitpunkt verfügbar sein muss. Der Uterus ist zudem ein Muskel, und wir möchten die Untersuchung so einfach wie möglich gestalten – also ohne Kontrastmittel und ohne die Gabe von Spasmolytika.

 

Mint Medical: Inwieweit wird die existierende RACOON-Infrastruktur benutzt?

May: Wir wären nicht in der Lage, diese Studie durchzuführen, wenn es die NUM RACOON Infrastruktur und das NUM-NUKLEUS nicht bereits geben würde. Wir nutzen alle Komponenten der RACOON-Infrastruktur: Das Datenmanagement und die strukturierte Befundung von Mint Medical spielen dabei eine essenzielle Rolle. Ein wichtiger Aspekt ist eine der Spezialisierungen von mint Lesion™: die präzise Dickenmessung und die standardisierte Messung über mehrere Zeitpunkte hinweg. Dadurch kann ich genau nachvollziehen, an welcher Stelle und zu welchem Zykluszeitpunkt die Messung in der Voruntersuchung durchgeführt wurde und wie ich diese Untersuchung reproduzieren kann. Alle erhobenen Daten werden in einem strukturierten Befundungstemplate erfasst und ausgewertet.

Für die Volumensegmentierung nutzen wir die SATORI-Plattform von Fraunhofer MEVIS. Dort haben wir einen vollständig eigenen Workflow für diese völlig neue Untersuchungstechnik entwickelt – eine Technik, die die Plattform bisher so noch nicht gesehen hat. Dafür mussten einige Anpassungen vorgenommen werden, und wir haben dabei enge Unterstützung erhalten.

Sobald alle Volumensegmentierungen in unserer Studie abgeschlossen sind, trainieren wir ein neuronales Netz. Unser Ziel ist es, zukünftige Daten innerhalb dieser Infrastruktur möglichst ohne manuelle Interaktion oder Korrekturbedarf zu analysieren. Es wird zwar immer einen Revisionsschritt durch einen Arzt geben müssen, der das Ergebnis überprüft, bestätigt oder gegebenenfalls modifiziert, bevor die Daten für Studienzwecke verwendet werden können. Dennoch soll der Großteil der Arbeitslast am Ende so weit wie möglich automatisiert werden.

Ein Problem bei den Aufnahmen ist die Bewegung des Uterus und des Darms im Becken, die ausgeglichen werden muss. Hier kommt unser dritter Infrastrukturpartner ins Spiel: die Joint Imaging Plattform (JIP) des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Die Joint Imaging Plattform vom DKFZ hat bereits ein Programm entwickelt, mit dem die Volumensegmentierungen aus der anatomischen Sequenz – in der die Junktionalzone besonders gut sichtbar ist – auf andere Datensätze der Gewebecharakterisierung übertragen werden können. Dadurch ist es möglich, die verschiedenen Zonen des Uterus getrennt auszuwerten, auch wenn sie in der reinen Aufnahme nicht so klar voneinander zu unterscheiden sind. So können wir den Volumentransfer über mehrere Zeitpunkte hinweg trotz eventueller Verschiebungen gewährleisten.

Also von dieser Seite auch schon mal ein dickes Lob an unsere drei Projektpartner von technischer Seite: die Zusammenarbeit ist hier wirklich sehr intensiv gewesen.

 

Mint Medical: Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz innerhalb des Projektes? 

May: Die künstliche Intelligenz in diesem Projekt besteht darin, dass wir die erhobenen Daten nutzen, um ein KI-System zu trainieren. Ziel ist es, am Ende des Projekts eine Plattform zu haben, die die Forschung zur Frauengesundheit – insbesondere zu dem Adenomyose-Endometriose-Komplex – innerhalb der deutschen Universitätsmedizin beschleunigen oder unterstützen kann.

Grundsätzlich ließe sich diese Untersuchungstechnik des Uterus auch für andere onkologische Erkrankungen anpassen oder skalieren. Das ist ein entscheidender Punkt: Diese Infrastruktur soll am Ende nicht nur für eine spezifische Erkrankung, sondern auch für verschiedene Uteruserkrankungen genutzt werden können.

 

Prof. Dr. Med. Sylvia Mechsner ist Oberärztin und Leiterin des Endometriosezentrums der Charité in Berlin. Sie hat die erste und einzige Professur für Endometrioseforschung in Deutschland inne. Zwischen 2011 bis 2013 erhielt Prof. Mechsner mehrere renommierte Auszeichnungen für ihre Forschung zu Endometriose. Sie ist Koordinatorin des FADEN Projektes.

Prof. Dr. med. habil. Matthias Stefan May, EBIR ist leitender Oberarzt und APL-Professor am radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in der klinischen Ausbildung, Produktentwicklung und Forschung. Als klinischer Koordinator des Imaging Science Institute leitet er mehrere innovative Forschungsprojekte. Er hat über 100 internationale Publikationen verfasst. Prof. May ist Koordinator des FADEN Projektes.

Das Projekt RACOON FADEN wird koordiniert durch die Klinik für Gynäkologie an der Charité Berlin und dem Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen. Beteiligt sind 13 universitäre Endometriosezentren mit den gynäkologischen und radiologischen Abteilungen, 6 Standorte der klinischen Studienplattform NUKLEUS, sowie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, das Fraunhofer Institut MEVIS in Bremen und Mint Medical als technische Partner in RACOON.

 

Wenn Sie mehr über das Projekt erfahren möchten, besuchen Sie die Seite des Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) oder die Seite des RACOON Network.

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