Das Bayerische Onkologische Radiologienetzwerk - Standardisierte Bildgebung für eine optimierte Krebsversorgung: Im Interview mit Dr. Mandy Wahlbuhl Becker

Das Bayerische Onkologische Radiologienetzwerk (BORN) hat das Ziel, Patient:innen und medizinisches Fachpersonal in ganz Bayern zu unterstützen. Durch die standardisierte Durchführung und systematische Auswertung von Krebsvorsorgeuntersuchungen schafft das Projekt eine verlässliche Grundlage für die Datenerfassung und den Austausch. So entsteht eine weltweit einzigartige Datenbank zur verbesserten Diagnose und Behandlung von Krebserkrankungen.

Das Projekt wurde im August 2022 mit dem Ziel initiiert, die Krebsversorgung in Bayern durch standardisierte Bildgebung und Befundung zu verbessern. Innerhalb des Netzwerks des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF) soll eine einheitliche Forschungsumgebung entstehen, von der sowohl Patient:innenalsauch medizinische Fachkräfte profitieren. Mittlerweile konnte die zweite Projektphase mit der Bereitstellung zusätzlicher sechs Befundungstemplates erfolgreich abgeschlossen werden. Die ersten sechs Befundungstemplates sind bereits auf der Website des BZKF veröffentlicht und einsehbar.

Durch die enge Zusammenarbeit der sechs bayerischen Universitätskliniken in Augsburg, Erlangen, München (zwei Standorte), Regensburg und Würzburg werden Wissen und Kompetenzen in der Früherkennung, Therapie und Nachsorge von Tumorerkrankungen gebündelt. Dies ermöglicht eine umfassende und interdisziplinäre Versorgung der Patient:innen.

Um mehr über die Entstehung und Bedeutung des Projekts zu erfahren, haben wir mit der Geschäftsführerin des BZKF, Dr. Mandy Wahlbuhl-Becker, gesprochen.

 

Was war die ursprüngliche Vision hinter dem BORN-Projekt, und wie ist die Idee entstanden?

Mit der Gründung des BZKF 2019 wurde als eines der wichtigsten Ziele ausgegeben, dass Patientinnen und Patienten von den Projekten des BZKF profitieren, indem ihnen ein niederschwelliger Zugang zu onkologischer Expertise in der Fläche ermöglicht wird. Dabei ist eine rasche Umsetzung neuer Erkenntnisse in die Praxis und eine konzertierte Entwicklung neuer Diagnose, Therapie‐ und Behandlungsstrategien von großer Bedeutung. Die sechs bayerischen Lehrstuhlinhaber für Radiologie waren 2022 die Initiatoren für ein derartiges innovatives standortübergreifendes Projekt mit der klaren Intention, die Ergebnisse allen bayerischen Krebspatientinnen und Krebspatienten direkt zu Gute kommen zu lassen. Das BORN-Projekt wurde ins Leben gerufen und konzentriert sich darauf, die bildgebenden Untersuchungen für Tumorerkrankungen bayernweit einheitlich durchzuführen, strukturiert auszuwerten und eine sichere IT-Struktur für die Datenerfassung und den Datenaustausch zu entwickeln.

Welche Rolle spielt das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF) bei der Koordination und Unterstützung des BORN-Projekts?

Seitens der BZKF-Geschäftsstelle werden alle BZKF-Projekte u.a. durch die Bereitstellung und kostenfreie Nutzung des Content-Managementsystem confluence unterstützt. Damit ist eine Zusammenarbeit sowohl standortübergreifend als auch mit Industriepartnern transparent und datenschutzrechtlich gewährleistet. Für das BORN-Projekt sind aktuell 95 BZKF-interne und 10 Mint Medical User registriert, die aktiv an der Erstellung und Bearbeitung der BORN-Templates an allen sechs BZKF-Standorten beteiligt sind. Die organisatorische und verwaltungsmäßige Abwicklung des BORN-Projektes erfolgt in sehr enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit der BZKF-Geschäftsstelle und dem BORN-Leitungsgremium.

Welche Vorteile sehen Sie für Patient:innen durch die Einführung des BORN-Projekts?

Die Bildgebung spielt eine wichtige Rolle bei der Diagnose und Verlaufskontrolle von Krebserkrankungen. Um wissenschaftlich fundierte Auswertungen der Untersuchungsdaten zu ermöglichen, müssen die radiologischen Bilddaten strukturiert und standardisiert erfasst werden.

In den bisherigen Förderperioden seit 2022 konnten bereits sechs entitätenspezifische Templates finalisiert werden. Weitere Templates sind derzeit in Bearbeitung bzw. Validierung. Nach der bereits stattfindenden Erprobungsphase in den bayerischen Uniklinika ist es das große Ziel, dass die BORN-Templates auch in außeruniversitären Häusern in ganz Bayern genutzt werden. Hierzu bedarf es sicher einer Schulungsphase der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen. Denkbar wäre hier eine Art Mentorenprogramm, d.h. je eine der sechs bayerischen Uniklinika schult das Personal in den nicht universitären Einrichtungen. Patientinnen und Patienten profitieren von einer wohnortnahen Bildgebung nach einheitlichen Standards und einer Verlaufskontrolle mit modernsten Bildgebungs– und Auswertungsverfahren, die bayernweit standardisiert ist. Somit können derzeitig notwendige Doppeluntersuchungen vermieden werden.

Auch für die Forschungsarbeiten im Rahmen des BZKF resultiert mit der bayernweiten Einführung standardisierter Befundung ein klarer Nutzen. Die erhobenen Daten sind somit bayernweit vergleichbar und können nicht nur in Forschungsarbeiten einfließen, sondern auch für die Auswertung von strukturierten Daten mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) genutzt werden.

Wie trägt die Zusammenarbeit mit Partnern wie Mint Medical und Brainlab zur Umsetzung der Projektziele bei?

Eines der ersten konkreten Ziele des BZKF war und ist es weiterhin, den Ausbau von Kooperationen mit außeruniversitären Einrichtungen sowie mit bayerischen Unternehmen zu stärken. Das BORN-Projekt mit dem Partner Mint Medical ist ein Leuchtturmprojekt im BZKF. Zum einen durch die Kooperation mit einem bayerischen Unternehmen zum anderen mit den nachfolgenden Kooperationen hinsichtlich der Nutzung der BORN-Templates in den bayerischen nicht-universitären Versorgungshäusern.

Aufgrund der Bereitstellung und Übertragung der harmonisierten entitätenspezifischen BORN-Templates seitens der BZKF-Akteure in die Mint-Umgebung und dem daraus resultierenden roll out der getesteten Befundungstemplates seitens Mint Medical, ist im BORN-Projekt zu jederzeit ein sehr enger und produktiver Austausch beider Projektpartner gegeben.

Welche Ergebnisse oder Erkenntnisse haben Sie bisher durch das Projekt gewonnen?

“Alleine können wir so wenig erreichen, gemeinsam können wir so viel erreichen.”

Eines der größten Erkenntnisse des BORN-Projektes ist die reibungslose Kommunikation und Umsetzung eines solchen bayernweiten Leuchtturmprojektes mit Kooperationspartnern und Fördergebern aus verschiedensten universitären und außeruniversitären Bereichen. Das BORN-Projekt ist das erste BZKF-Projekt, an dem sich sowohl das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (StMWK) und das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP) an der Anschubfinanzierung beteiligt haben. Es ist ebenso ein Erfolgsprojekt für aktive standortübergreifende Zusammenarbeit mit dem großen Potenzial, den Patientinnen und Patienten unmittelbar zu Gute zu kommen. Dies zeigt umso mehr, dass sich die Gründung des BZKF durch die aktive Vernetzung und die gemeinsame Bearbeitung von Forschungsprojekten auszahlt – ganz nach unserem Motto „Exzellenz stärken – Wissen teilen“.

Welche Aspekte des Projektes machen Sie besonders glücklich?

Mit dem bisher Erreichten und den Zielen hat das BORN-Projekt sowohl nationale als auch internationale Sichtbarkeit für die Aktivitäten des BZKF erreicht. Darüber hinaus ist es gelungen, die in BORN erarbeiteten Grundlagen einer standardisierten und strukturierten Befundung onkologischer Bildgebung auch bundesweit zu vernetzen und die erforderliche Infrastruktur aufzubauen. So ist BORN aufgrund des innovativen Ansatzes als Partner im RACOON Projekt der Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) aufgenommen worden.

Diese sektoren- und standortübergreifende Vernetzung innerhalb eines BZKF-Projektes ist beeindruckend und macht die Arbeit im BZKF so wertvoll. Es ist außerdem hoch motivierend, dass eine nachhaltige Umsetzung von neuen Erkenntnissen aus der Forschung in die klinische Realität (Translation) und somit zu den Patientinnen und Patienten rasch umsetzbar ist.

 

Über Dr. Mandy Wahlbuhl-Becker

Dr. Mandy Wahlbuhl-Becker ist seit 2020 Geschäftsführerin des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF). Bis 2024 leitete sie zudem die Geschäftsstelle des Comprehensive Cancer Center Erlangen-EMN. Zuvor war sie mehrere Jahre im Pädiatrischen Forschungszentrum der Kinder- und Jugendklinik des Universitätsklinikums Erlangen tätig.

 

Sie möchten mehr über das BZKF BORN-Projekt erfahren?

Besuchen Sie die Website des Bayerischen Zentrum für Krebsforschung.

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