Im Gesundheitswesen ist die Interoperabilität ein wichtiger Wegbereiter: Interoperable Systeme ermöglichen die nahtlose Kommunikation von Patienteninformationen und führen dadurch zu signifikanten Mehrwerten im gesamten Gesundheitssystem und in der Patientenversorgung.
Die Einführung des e-Rezepts hat nun auch die Bedeutung eines effizienten Datenaustauschs nochmals deutlich gemacht. Um einen reibungslosen und vor allem sicheren Austausch komplexer Gesundheitsdaten zu gewährleisten, ist eine hohe Interoperabilität zwischen den Systemen in Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern unerlässlich. Im internationalen Vergleich steht Deutschland hier jedoch noch vor einigen Herausforderungen. [1]
Interoperabilität als Wegweiser zur verbesserten Patientenversorgung
Interoperabilität bezeichnet die Fähigkeit verschiedener Systeme, sich zu verbinden und koordiniert miteinander zu kommunizieren. [2] Entscheidend ist dabei, dass die ausgetauschten Informationen auch nutzbar sind. Dies wird am besten durch eine strukturelle und inhaltliche Standardisierung der Übermittlung erreicht, bekannt als syntaktische und semantische Standardisierung [3]. Idealerweise ermöglicht dies den Echtzeitzugriff auf alle relevanten Daten einer Person oder Gruppe von Personen von einem zentralen Ort aus. [4]
FHIR (Fast Healthcare Interoperability Resources) unterstützt und ermöglicht als Standard für Gesundheitsdaten eine effizientere und konsistentere Datenverarbeitung. FHIR ist ein Open-Source-Standardrahmen für Gesundheitsdaten, der Informationen in verschiedene Klassen, sogenannte Ressourcen [5], unterteilt. FHIR bietet eine standardisierte Struktur, die es ermöglicht, diese Daten zu organisieren und von verschiedenen Computersystemen oder Anwendungen zu interpretieren [2] – von mobilen Apps bis hin zur Serverkommunikation in großen institutionellen Gesundheitsdienstleistern [5]. Durch diesen verbesserten Datenaustausch entstehen Vorteile für verschiedenste Interessengruppen: zunächst natürlich für Ärzt:innen und Pharmazeut:innen, doch wird auch ganz generell die Innovation im Gesundheitswesen gefördert. [6] Außerdem haben Patient:innen durch verbesserte Einsicht in ihre Gesundheitsakten mehr Kontrolle über ihre Daten. [7]
Die Herausforderungen der Digitalisierung im Gesundheitswesen
Die Herausforderungen sind allerdings komplex. Zum einen erschwert der durchschnittliche, “in weiten Teilen sogar unterdurchschnittlich[e]” [8] Stand der Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems die Reise zur nahtlosen Interoperabilität. Es gibt zu viele alte Systeme, die über die Jahre zwar zusammengewachsen, aber nicht interoperabel sind: “Die IT-Systeme der verschiedenen Akteure sind technisch nicht in der Lage, miteinander Daten in einer Form auszutauschen, dass das empfangende System diese richtig interpretieren und automatisiert weiterverarbeiten kann.” [9] Der aktuelle Prozess ähnelt daher oft der manuellen Dokumentation: Informationen werden von einem Gerät abgelesen und manuell in ein anderes übertragen. Dieser Verwaltungsaufwand ist arbeitsintensiv, ineffizient und muss reduziert werden.
Zudem ist das heutige Gesundheitssystem stark auf Dokumente ausgerichtet. Die Zukunftsvision hingegen besteht darin, ein umfassendes, ganzheitliches Bild der Patient:innen zu erstellen und kontinuierlich zu erweitern. Um den größtmöglichen Nutzen zu bieten, müssen elektronische Patientenakten interoperabel und semantisch kodiert sein. Systeme benötigen ein beidseitiges Verständnis der Informationen, um im jeweiligen Kontext korrekt reagieren zu können.
Ein konkretes Beispiel aus der Radiologie verdeutlicht dies: Eine Radiologin muss vor der Patientenaufnahme wissen, ob Allergien gegen Kontrastmittel vorliegen. Ohne ein interoperables System muss diese Information mühsam im Krankenhausinformationssystem (KIS) gesucht werden. In einem interoperablen System mit semantischem Verständnis hingegen sind alle bekannten Allergien des Patienten sofort an der vorgesehenen Stelle aufgelistet.
Die Bedeutung eines gemeinsamen Standards
Auch darüber hinaus bietet ein einheitlicher Standard wie FHIR enormes Potenzial und ermöglicht die effektive Nutzung von Gesundheitsdaten. Wenn interoperable Daten beispielsweise für ein Tumorboard gesammelt werden, können diese gleichzeitig auch zur automatischen Befüllung von Krebsregistern weiterverwendet werden.
Eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass strukturierte Daten vorliegen, die interoperabel und semantisch codiert sind. In anderen Worten: Jeder Datenpunkt muss eine eindeutige Bedeutung haben. Eine der zentralen Herausforderungen für die Interoperabilität besteht allerdings darin, dass verschiedene Institutionen oft unterschiedliche Definitionen und Standards für Datenpunkte verwenden, was zu Inkonsistenzen führt. Man denke nur an das bekannte Beispiel des Zebras: Handelt es sich bei einem Zebra um ein weißes Pferd mit schwarzen Streifen oder ein schwarzes Pferd mit weißen Streifen?
Die Lösung dieses Problems liegt in der Zusammenarbeit aller Beteiligten an einem gemeinsamen Standard. Mint Medical arbeitet beispielsweise mit Forschungseinrichtungen und der Medizininformatik-Initiative im Rahmen von Vision Zero daran, den radiologischen Diagnosereport zu standardisieren. Diese Berichte sind eine der wichtigsten Ressourcen in FHIR, wenn es darum geht, radiologische Informationen effizient festzuhalten und zu nutzen.
Mint Medical erfasst seit jeher strukturierte Daten und ist nun in der Lage, selbst Daten, die vor zehn Jahren in das System eingegeben wurden, in einem interoperablen Format zu exportieren. Diese Daten können somit sofort, beispielsweise für wissenschaftliche Publikationen, genutzt werden. Insbesondere für die Sekundärnutzung stellt dies einen wertvollen Datenschatz dar. Anwender:innen von Mint profitieren von diesen Exporten, da ihre Daten bereits semantisch kodiert und strukturiert erfasst wurden.
Die Zukunft der Dokumentation im Gesundheitswesen
Mint Medical arbeitet daran, strukturierte Daten über den gesamten Patientenworkflow hinweg zu erfassen und nutzbar zu machen: von der Aufnahme bis zur Entlassung. Die Vision ist es, ein holistisches Bild entlang des gesamten Patientenworkflows zu generieren. Diese Informationen werden dann genutzt, um den Workflow und die Datenaggregation kontinuierlich zu optimieren. Der Kontext wird außerdem effizient genutzt, da das System ein Verständnis dafür hat, wo sich der Patient in seiner „Patient Journey“ befindet.
Ziel ist es letztendlich, den Anteil der manuellen Interaktion (d.h. Klickarbeit und die händische Eingabe von Daten) zu reduzieren und den Datenfluss zu verbessern, um klinische Systeme zu unterstützen und mehr Zeit für die Patientenversorgung zu schaffen.
Die Interoperabilität im Gesundheitswesen ist ein entscheidender Faktor für die Verbesserung der Patientenversorgung und die Effizienz der klinischen Abläufe.
Durch die Implementierung von Standards wie FHIR und die Zusammenarbeit aller Beteiligten können wir ein nahtloses, effizientes und patientenorientiertes Gesundheitssystem schaffen. Unternehmen wie Mint Medical tragen wesentlich dazu bei, die Vision einer vollständig interoperablen und datengetriebenen Gesundheitsversorgung zu verwirklichen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, das Beste für die Medizin herauszuholen und die vorhandenen Daten effizient und sinnvoll zu nutzen.
Quellen:
[1] Kostera, Thomas. 2020. “Elektronische Rezepte: Schlüsselfaktor Anschlussfähigkeit.” Programm Gesundheit. https://www.programm-gesundheit.blog/e-rezept/.
[2] “Interoperabilität mit FHIR: Struktur in medizinische Daten bringen.” Medical Values. https://medicalvalues.de/de/interoperabilitaet-mit-fhir-struktur-in-medizinische-daten-bringen/.
[3] Weber Stefanie & Kai U. Heitmann. 2021. "Interoperabilität im Gesundheitswesen: auch für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verordnet.” Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 64.10: 1262-1268.
[4] Dr. Russel Leftwich. 2023. “The Concept of FHIR: A Healthcare Data Standard Designed for the Future.” Inter Systems Learning Services. https://www.youtube.com/watch?v=fv2xTR_0QnA.
[5] HL7 FHIR. 2022. “Introducing HL7 FHIR.” HL7, https://hl7.org/fhir/R4B/summary.html
[6] Lamprinakos, Georgios C. et al. 2014. “Using FHIR to develop a healthcare mobile application.” 2014 4th International Conference on Wireless Mobile Communication and Healthcare - Transforming Healthcare Through Innovations in Mobile and Wireless Technologies (MOBIHEALTH), Athens, Greece, 2014, 132-135.
[7] Saripalle, Rishi, Christoper Runyan & Mitchell Russell. 2019. “Using HL7 FHIR to achieve interoperability in patient health record.” Journal of Biomedical Informatics 94.
[8] Kassel, Kristin. 2020. “Digitale Innovation – Trendwende im deutschen Gesundheitssystem: Wie Unternehmen Digitalisierung zur strategischen Marktpositionierung nutzen.” Eds. M. Pfannstiel, K. Kassel, C. Rasche. Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen. Wiesbaden: Springer Gabler.
[9] Caumanns, Jörg. 2019. “Zur Diskussion: Stand der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen.” Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 145: 22-29.