
Strukturierte Befundung und Künstliche Intelligenz in der Prostatadiagnostik: Prof. Dr. Thorsten Persigehl im Interview
In der Radiologie sind strukturierte Befundung und künstliche Intelligenz (KI) keine Zukunftsmusik mehr. Beide haben das Potenzial, einen Mehrwert für die Patientenversorgung zu schaffen und die diagnostischen Möglichkeiten zu erweitern. Doch wie verändern diese Technologien den Arbeitsalltag von Radiolog:innen wirklich?
Um die praktischen Auswirkungen dieser Entwickung zu beleuchten, haben wir mit Univ.-Prof. Dr. Thorsten Persigehl von der Uniklinik Köln gesprochen. Als Experte für onkologische Bildgebung und Leiter des radiologischen CIO (radCIO) gibt Prof. Persigehl Einblicke, wie Befunde mit mint Lesion erstellt werden, warum strukturierte Berichterstattung für ihn unverzichtbar ist und wie künstliche Intelligenz ihn bei der Prostatasegmentierung und -befundung unterstützt. Ein praxisnahes Gespräch über Effizienz, Qualität und die Zukunft der Prostatadiagnostik.
Herr Prof. Persigehl, wie sieht Ihr typischer Prostata-Workflow aus?
Bei uns erfolgt die klinische Befundung der Prostata-MRT mittlerweile in mintLesion. Die Bilder werden zunächst im PACS wie gewohnt geöffnet und manuell analysiert.
Die Dokumentation erfolgt direkt parallel auf einem gesonderten Monitor in mint Lesion unter Hilfe eines integrierten KI Systems, das vorab automatisch das Prostata-Volumen segmentiert. Über die Eingabe des PSA-Wertes wird zudem die Prostata-Dichte automatisch berechnet.
Zudem besteht die Möglichkeit sich über ein weiteres KI System eine Zweitmeinung zu möglichen Prostataläsionen vorschlagen zu lassen im Sinne einer „second reader“ Option. Natürlich müssen die Vorschläge noch sorgfältig mit dem eigenen Expertenwissen angeschaut und bewertet werden.
Sollten sich Prostataläsionen in der mpMRT zeigen, werden diese strukturiert in der Mint Software eingetragen. Hierbei unterstützt mint Lesion bei der richtigen PI-RADS Klassifikation und anatomischen Lagebezeichnung. Nach Einzeichnung der Prostataläsion auf der transversalen T2w-Serie wird diese Annotation automatisch in die Schemazeichnung der Prostata übertragen, so dass im mint Lesion Report neben einem Screenshot der Läsion auf dem T2w-Bild die Läsion zusätzlich in der Schemazeichnung angezeigt wird – dies farbcodiert entsprechend des PI-RADS Risikoprofils für das vorliegenden eines Prostata-Karzinoms.
Hierbei ermöglicht uns mint Lesion zudem weitere relevante Befunde einfach mit zu dokumentieren, wie eine mögliche Infiltration der Samenblasen oder Nachbarorganen, Lymphknoten- und Knochenmetastasen, oder auch miterfasster Veränderungen, wie inzidentelle Rektum- oder Harnblasenkarzinome.
Welche Vorteile sehen Sie in der strukturierten Berichterstattung?
Ich bin persönlich ein sehr großer Freund der strukturierten Befundung in der onkologischen Bildgebung. Diese haben wir hier in Köln schon länger für verschiedene Tumorentitäten eingeführt, wie bei Leber-, Pankreas-, Ösophagus- und Rektum-Karzinome.
In unseren Augen gibt es viele Vorteile, die die strukturierte Befundung liefert. Beginnend damit, dass wir alle klinisch relevanten Daten strukturiert abfragen und so auch in unseren Befunden inkludiert haben. Diese können wir dann den zuweisenden Klinikern übermitteln – in der Form, in der sie sie für Therapieentscheidungen benötigen.
Einen weiteren großen Vorteil sehe ich hier am Uniklinikum Köln, dass wir natürlich auch Weiterbildungsassistenten haben. Diese Assistenten lernen direkt von Anfang an, was die relevanten Informationen sind und was die richtige Terminologie ist.
Zum Schluss liefert die strukturierte Befundung auch digitale Daten, die wir direkt wieder an andere klinische Subsysteme weitergeben oder für die wissenschaftliche Evaluation nutzen können.
Wie arbeiten Sie in Ihrem Workflow mit anderen Fachdisziplinen zusammen?
Wir arbeiten eng mit unseren klinischen Partnern zusammen. Das geht natürlich mit der Befundübermittlung in dieser strukturierten Form, selbstverständlich auch in Tumorboards.
Gerade hier am Beispiel der Prostatabefundung können wir den Urologen nun optimal unsere Befunde übermitteln. Alle Läsionen sind in Screenshots und in einer Schemazeichung hinterlegt, so dass die Informationen auch für den urologischen Kollegen im OP direkt verfügbar sind, wie beispielsweise bei der systemischen Fusions-Prostata-Biopsie. So können die Läsionen in der Fusion im Ultraschall einfach wiedererkannt und zugeordnet werden.
Wie hat die Nutzung von mint Lesion Ihren Workflow beeinflusst?
Durch die Nutzung von mint Lesion konnten wir bereits eine Steigerung der Effizienz der Befundung feststellen. Die aufwendige Segmentierung der Prostata entfällt, sowie die aufwendige Dokumentation der einzelnen Läsionen mit Screenshots wird automatisiert durch die Software übernommen.
Dies freut unsere zuweisenden urologischen Kollegen im eigenen Haus, wie auch unsere externen Zuweiser, die natürlich auch bei uns Bildgebungen durchführen.
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz in Ihrem Workflow?
Die integrierte KI hilft uns hierbei maßgeblich bei der Segmentierung der Prostata und bei dem Vorschlag von möglichen Prostataläsionen als „Second Reader“. Sie hilft uns auch, unsere subjektive Bewertung der Läsionen zu optimieren.
Welche Trends beobachten Sie aktuell in der Prostatadiagnostik?
Grundlegend werden wir in der Zukunft in der onkologischen Bildgebung mehr KI-Systeme jeweils speziell für gewisse Fragestellung verwenden.
Für die Prostata im Besonderen werden wir deutlich mehr MR-Untersuchung durch die neuen S3-Leitlinien durchführen - hin zur vermehrt nicht invasiven Diagnostik und Verlaufsbeurteilung.
Das heißt für uns: Mehr Bildgebung in kürzerer Zeit, gegebenfalls ohne Kontrastmittel, aber natürlich auch mehr Befunde. Und jegliche Unterstützung bei der Dokumentation hilft uns Experten natürlich, dass wir das tun, was wir wollen – nämlich die Bilder evaluieren und nicht aufwendige Dokumentationen durchführen.
Wir danken Herrn Prof. Dr. Thorsten Persigehl für das Gespräch und die spannenden Einblicke in den klinischen Alltag der Prostatadiagnostik. Das Interview zeigt eindrucksvoll, wie strukturierte Befundung und KI in der radiologischen Praxis bereits heute Mehrwert schaffen – für Radiolog:innen, klinische Partner und Patient:innen gleichermaßen.
Univ.-Prof. Dr. Thorsten Persigehl ist Professor für Onkologische Bildgebung an der Universität zu Köln und Leiter des radiologischen CIO (radCIO) an der Uniklinik Köln. Seit Februar 2024 ist er zudem stellvertretender Herausgeber der Fachzeitschrift Cancer Imaging, dem offiziellen Journal der International Cancer Imaging Society (ICIS).
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